Problematische Vermietung

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Sehr geehrt...

vielen Dank für Ihre Nachricht. Sie geben Ihrem Unmut darüber Ausdruck, dass wir kirchliche Räume an Aktivisten von "Die letzte Generation" vermietet haben und würden sich nicht wundern, wenn das Kirchenaustritte provoziert. Sie sind bestürzt über den Tod einer Frau, der im Zusammenhang mit einer Protestaktion dieser Gruppierung steht. Ich möchte dazu gern stellungnehmen.

Zunächst: Ich teile Ihre Bestürzung über den Tod der Frau, die offenbar wegen einer Aktion der "letzten Generation" nach einem Unfall nicht gerettet werden konnte. Die Absprache zur Vermietung des Raumes liegt aber schon länger zurück und einen kurzfristeigen Rücktritt von der Vereinbarung halte ich für unhöflich und unangemessen. Vermutlich würde ich heute die Anfrage kritischer prüfen. Ich sah in ihr eine Gelegenheit, mit Menschen, die sehr umstrittene Protestformen pflegen, ins Gespräch zu kommen. Denn als ehemaliger DDR-Bürger bin ich sensibilisiert für den Grundsatz, dass zunächst einmal alle die Möglichkeit haben sollten, zu sagen, was sie zu sagen haben. Da diese Gruppe nicht verboten ist, sehe ich keinen Anlass, von diesem demokratischen Grundsatz abzuweichen.

Wir vermieten unsere Räume an ganz unterschiedliche Menschen, insofern nicht verbotene oder moralisch fragwürdige Handlungen geplant sind, ohne als Kirchengemeinde damit eine eigene Positionierung zu verbinden. Ich sehe mich damit in der Nachfolge Jesu, der einen Zeloten - heute würde man diese Gruppierung übrigens wohl Terroristen nennen - in seinem engsten Freundeskreis geduldet hat (Lukas 6, 15; Apostelgeschichte 1, 13), ohne dessen Gesinnung und Methoden zu teilen. Mit so scharfen Urteilen wie "Nachwuchsterroristen" und "hooliganartig organisiert", wie Sie sie in Ihrer Nachricht an mich fällen, bin ich vorsichtig. Ich habe bisher niemanden von der "letzten Generation" kennen gelernt, der diesen Charakterisierungen entspricht. Ich habe auch keine Kenntnis davon, dass "hinter diesen Gruppierungen ... Leute mit Geld [stecken]" und würde gern Ihre Quelle dazu erfahren.

Die Veranstaltung, zu der wir Räume vermietet haben, ist öffentlich zugänglich. Ich halte es für einen Ausdruck von demokratischer Gesinnung, wenn viele Menschen diese Gelegenheit nutzen und die direkte Auseinandersetzung mit kritikwürdigen Haltungen und daraus resultierenden Handlungen suchen würden. Ich denke nämlich, dass die sich verbreitende undemokratische Kultur der Diskursverweigerung und der Unfähigkeit, abweichende Meinungen auszuhalten und eher mit Ausgrenzung als mit Auseinandersetzung zu reagieren, erst zu so radikalen Meinungsäußerungen geführt hat. Vielleicht gäbe es neben der Aburteilung des Fremden und Anderen auch die Möglichkeit zu fragen, was junge Menschen zu so radikalen Protesten treibt. Wäre der Grund verstanden, könnte vielleicht auch Abhilfe geschaffen werden.

Mir kam der Gedanke, dass solche ignoranten und brutalen Aktionen, mit denen "Die letzte Generation" jetzt auf sich aufmerksam macht, vielleicht als Gegenreaktion auf den mehrheitlich ignoranten und brutalen Umgang mit unserer natürlichen Umwelt verstanden werden können. Allerdings bin ich wie Sie der Meinung, dass beim zu verantwortenden Tod eines Menschen eine Grenze überschritten wäre; im Augenblick ist aber wohl zu dieser Kausalität noch kein abschließendes Urteil möglich, wie ich, abweichend von Ihrer Meinung, dass die "Rettung ... hintertrieben" wurde, lese.

Abschließend noch zu den von Ihnen vermuteten Kirchenaustritten aufgrund dieser Vermietung. Jeder Kirchenaustritt ist für mich schmerzlich und wirft bei mir Fragen nach den Gründen auf, die ich meist nicht kenne. Allerdings ist ein Kirchenaustritt aufgrund einer artikulierten Haltung oder abweichenden Erwartung an die Kirche für mich leichter zu ertragen als einer aus Gleichgültigkeit oder wegen der Kirchensteuerersparnis. Die evangelische Kirche kann nicht allen Erwartungen an sie gerecht werden und ein Leben nach dem Evangelium ist auch nicht mit allen Haltungen und Meinungen vereinbar. Wenn meine Haltung gegenüber der "letzten Generation" als profiliert wahrgenommen wird, dann könnte eine Trennung auch ein Ausdruck des Respekts und der Ehrlichkeit sein. Menschen, die sich einfach nur wegschleichen, machen mich hingegen immer eher ratlos.

Unabhängig von dem Geschriebenen biete ich Ihnen auch das direkte Gespräch an. Wenn Sie mögen, vereinbaren wir einen Termin zu einer schönen Tasse Kaffee oder was Sie sonst mögen, und reden miteinander. Vielleicht könnten wir gegenseitig davon profitieren. Freundliche Grüße, Torsten Morche

 

Kommentare 1

Gäste - Lars Petersen

am Dienstag, 15. November 2022 19:27

Hallo Herr Morche,

Ich kenne das Schreiben nicht, auf das Sie mit Ihrer offenen Antwort reagieren. Auch möchte ich mich hier aus jeglicher Diskussion fern halten. Eins aber möchte ich Ihnen doch hier hinterlassen: Meinen grössten Respekt für eine solche reflektierte und plausibel argumentierte Antwort. Diese beeindruckt mich sehr!

Gruß
Lars Petersen

Hallo Herr Morche, Ich kenne das Schreiben nicht, auf das Sie mit Ihrer offenen Antwort reagieren. Auch möchte ich mich hier aus jeglicher Diskussion fern halten. Eins aber möchte ich Ihnen doch hier hinterlassen: Meinen grössten Respekt für eine solche reflektierte und plausibel argumentierte Antwort. Diese beeindruckt mich sehr! Gruß Lars Petersen
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