Von Torsten Morche auf Freitag, 11. September 2020
Kategorie: Der Pastor bloggt

Glockenwarnung

Zu meinen Lebzeiten in der DDR wurden immer mittwochs um 13 Uhr die Uhren nach den immer pünktlich aufheulenden Sirenen …

Glockenwarnung

Zu meinen Lebzeiten in der DDR wurden immer mittwochs um 13 Uhr die Uhren nach den immer pünktlich aufheulenden Sirenen gestellt. Ich habe mir manchmal gedacht: wenn ich ein Bösewicht wäre, würde ich die DDR mittwochs um eins angreifen. Auf diesen Alarm würde niemand reagieren, alle wären überrascht. Später gab es keine Bösewichte mehr. Das „Ende der Geschichte" war angebrochen und die Sirenen verstummten, so sicher waren wir, dass uns nichts und niemand mehr überraschen könnte. Terroranschläge, Hochwasser, Hitzewellen, Erdbeben, Epidemien waren wie abgeschafft, jede Katastrophe erstickte schon im Keim an unseren unermesslichen Möglichkeiten und die Geringschätzung der Gefahr eines unnatürlichen Todes dehnte sich mehr und mehr auch auf den natürlichen aus. Corona hat die Dinge wieder ins rechte Verhältnis gerückt. Es gibt Gefahren, an denen unsere Möglichkeiten ersticken. Sich vor ihnen warnen zu lassen und sich an sie zu erinnern, war einen bundesweiten Warntag wert. Stellenweise hat infolge langer Untätigkeit das Warnsystem versagt, wie ich hörte. Allerdings gibt es ein Warnsystem, das funktioniert stellenweise seit Jahrhunderten zuverlässig und hat auch am Warntag davor gewarnt, vom natürlichen Tod überrascht zu werden: Die Kirchturmuhr mit ihren Glockenschlägen signalisiert ja nicht nur vergehende Arbeits-, Schlaf-, Fest- und Freizeit, sondern erinnert vor allem an das nahende Endes einer jeden Lebenszeit. Dass dieses nicht zur Katastrophe wird, ist das Angebot des christlichen Glaubens: einer lebenslangen Einübung in das Vertrauen in Den, Der sagt: „Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht." (Lukas 21, 28)

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